Mit Unterstützung des Programms Demokratie in Kinderhand beteiligte die Gemeinde Moritzburg im Jahr 2018 Grundschülerinnen und Grundschüler an ihrem Ortsentwicklungskonzept. Und das mit großem Erfolg. Bürgermeister Jörg Hänisch erzählt, weshalb es wichtig ist, Kinder in kommunale Prozesse einzubinden.
DKJS: Warum beteiligen Sie Kinder an kommunalen Prozessen?
Jörg Hänisch: Wer wohnt denn in unserer Gemeinde in 20, 25, 30 Jahren? Es sind die Kinder! Was wir heute gemeinsam mit ihnen entwickeln, sind auch ihre Erfolge, auf die sie dann stolz sein können. Wenn Kinder nach ihrer Meinung gefragt werden, nehmen sie viel stärker Anteil am Gemeindeleben. Sie fangen an, anders über die Zukunft nachzudenken, wertschätzen die Strukturen und gehen auch ganz anders mit ihrem eigenen Umfeld um. Das sind die Erfahrungen, die ich seit 30 Jahren mache.
DKJS: An welchen Themen können Kindern beteiligt werden?
Jörg Hänisch: Es fällt mir schwer, Themen zu nennen, an denen man Kinder nicht beteiligen kann. Kinder nehmen das Leben in der Gemeinde als Ganzes wahr. Ich habe das in den Workshops gesehen, die im Rahmen des Ortsentwicklungskonzeptes stattfanden. Es gibt kein Thema, das die Kinder nicht interessiert – von Straßenbau über Sauberkeit bis hin zum Geld. Ich bin strikt dagegen, Kinder nur auf Spielplatz und Schule zu reduzieren, ihr Wissen ist viel breiter als oft angenommen. Letztens fragte mich ein zehnjähriger Grundschüler, wann das neue 30er-Schild angebracht wird. Er liest immer das Gemeindeblatt und wollte mal nachfragen. Aus dieser Begegnung ist die Idee entstanden, in unserem Gemeindeblatt eine Seite für eine Kinderredaktion einzuplanen, die mit Unterstützung der Horte regelmäßig unser Blatt befüllt.
DKJS: Wie kam es dazu, die Kinder am Ortsentwicklungskonzept zu beteiligen?
Jörg Hänisch: Ich habe bereits 2013 – noch im Zuge des Wahlkampfes – angefangen, Kinder zu beteiligen. Von Eltern hörte ich immer wieder, dass hier Spielplätze fehlen. Ich habe dann mit 50 Kindern und ihren Eltern Standorte in Moritzburg erkundet und sie mit Wahlzetteln über einen neuen Spielplatz abstimmen lassen. Durch die Initiative der Eltern konnten wir einen neuen Spielplatz bauen. Parallel dazu haben wir ein Ortsentwicklungskonzept mit einem Planungsbüro aufgesetzt. Wir haben Workshops in den Ortsteilen mit Erwachsenen, Fachleuten und mit Jugendlichen durchgeführt. Durch einen Familienurlaub auf Hiddensee mit den Enkelkindern wurde mir schlagartig bewusst, dass ich eine Zielgruppe vergessen hatte: die Kinder! Ich selbst musste in meiner Schulzeit einen Aufsatz schreiben: Wie stellst du dir deinen Ort im Jahr 2000 vor? Zu Hause angekommen wusste ich aber nicht so recht, wie ich die Kinder in diesem Prozess am besten beteilige. Das war im September 2017. Und genau zu dieser Zeit las ich die Ausschreibung von Demokratie in Kinderhand, die sich genau darauf spezialisierte. Ich rief noch am gleichen Tag bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung an, die uns seitdem auf unserem Weg zur kinderfreundlichen Kommune unterstützt. Rückblickend muss ich sagen, dass die Workshops in den Horten mindestens genauso aufschlussreich waren wie die Erkenntnisse aus der Expertenrunde. Die Kinder haben viel weniger Scheuklappen als Erwachsene, das hat mir neue Perspektiven eröffnet.
DKJS: Was empfehlen Sie Menschen, die Kinder kommunal beteiligen wollen?
Jörg Hänisch: Geben Sie nichts vor. Wenn Sie eine Idee im Kopf haben und die Kinder nur als Transportmittel benutzen, kann das nicht gelingen. Kinder denken visionär. Lassen Sie sich darauf ein. Und was sehr gefährlich ist, und ich bei manchen Kollegen beobachte: Sie beteiligen Kinder, um ein Konzept zu füllen, um das Feigenblatt noch dranzuhängen. Ich kann auch nicht alles umsetzen, was sich Kinder wünschen. Aber es gibt eigentlich immer eine Möglichkeit, Bedürfnisse zu stillen. Ich kann vielleicht keine Kletterhalle bauen, aber ich muss mir überlegen, wie die Kinder nach Dresden zur Kletterhalle kommen. Und das ist ernst zu nehmen! Den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern würde ich sagen: Sie können eine solche Aufgabe nicht delegieren. Sie sind auch Bürgermeister für die Kinder. Da müssen wir absolut dahinterstehen.
DKJS: Was ist ihre Vision für die Kinder- und Jugendbeteiligung in Moritzburg? Wie soll die Gemeinde in 30 Jahren aussehen?
Jörg Hänisch: Die Kinder von heute werden morgen Erwachsene sein und gelernt haben, dass sich Bürgerbeteiligung lohnt. Ich wünsche mir, dass es viel selbstverständlicher wird, sich einzumischen – für Kinder und Erwachsene. Und dass sich die jungen und alten Bürger mehr in kommunalpolitische Prozesse einklinken. Wir haben noch viele Themen, die wir gemeinsam bearbeiten werden. Ich wünsche mir, dass es ein Miteinander gibt und die Menschen merken, dass sie ihr Dorf selbst mitgestalten können.