Was brauchen Jugendliche auf dem Land?

Gerne sprechen wir von „der“ Jugend und vergessen dabei, wie unterschiedlich die Interessen und Bedürfnisse junger Menschen sind. Jugendliche in ländlichen Räumen haben aber doch eines gemeinsam: Sie alle sind betroffen von eingeschränkter Mobilität, geringen Freizeitmöglichkeiten und mangelnden Arbeitsperspektiven. Das Deutsche Jugendinstitut hat das Aufwachsen von jungen Menschen unter den Bedingungen des demografischen Wandels analysiert und daraus politische Handlungsempfehlungen abgeleitet:

Wer ist eigentlich diese Jugend?

Um der Forschungsfrage „Was bewegt Jugendliche in strukturschwachen ländlichen Regionen überhaupt?” nachzugehen, wurden Jugendliche im Rahmen der Studie nach ihren Freizeitinteressen und Zukunftsvorstellungen befragt. Daraus konnten vier Typen (A-D) ermittelt werden. Diese repräsentieren die Lebenssituation der Jugend in ländlichen Regionen idealtypisch.

Der Wochenend-Freizeiter ist in Fluchtstellung

Typ A, der Wochenend-Freizeiter, kommt spät nach Hause, weil er zu seinem weit entfernten Bildungsort pendeln muss. Am Wochenende fährt er in die nächste Großstadt und verbringt dort seine Freizeit. Wohn- und Bildungsort spielen für ihn keine wichtige Rolle, denn seine subjektive Lebensqualität ist schlecht. Der Wochenend-Freizeiter ist in Fluchtstellung: Sobald er kann, wird er seinen Heimatort verlassen.

Der Jugendeinrichtungs-Nutzer braucht seinen Club

Der Jugendeinrichtungs-Nutzer verbringt seine Freizeit wohnortnah und nahezu komplett im Jugendclub. Deshalb ist er besonders betroffen, wenn sich z.B. Öffnungszeiten ändern. Der Jugendeinrichtungs-Nutzer ist dann wütend auf die lokalen Akteure und überträgt seinen Unmut häufig auf die gesamte Politik. Seine subjektive Lebensqualität ist mittel bis schlecht. Der Typ B untergliedert sich nochmals in zwei Untertypen: Der Anpasser verlässt sich auf das Motto: „Man kommt hier schon irgendwie klar“, der Aussitzer dagegen hofft lieber auf: „Ab 18 wird alles besser“.

Der Alles-kurze-Distanzen-Typ ist mit seiner Heimat verwurzelt

Dieser Typ ist sehr aktiv und kann bei der Freizeitgestaltung auf ein gutes Netzwerk, Nähe und viele Unterstützer und Unterstützerinnen setzen. Er erreicht problemlos entferntere Orte. Typ C ist sehr verwurzelt in seiner Heimat und würde sogar eine Stunde Fahrtzeit akzeptieren, um an seinen Ausbildungs- oder Arbeitsort zu gelangen. Sollte er doch zwecks Studiums oder Ausbildung wegziehen müssen, will er danach wahrscheinlich in die Heimat zurückkehren. Seine subjektive Lebensqualität ist mittel bis gut.

Der aktive und mehrfach engagierte Typ kommt rum

Der aktive und mehrfach engagierte Typ D kann seine Freizeit befriedigend gestalten und seinen Wohnort dank Eltern, Taxi oder Moped problemlos verlassen. Im Notfall würde er eine 30-minütige Fahrzeit zur Arbeit in Kauf nehmen. Sollte er doch für ein Studium oder eine Ausbildung wegziehen müssen, will er danach wahrscheinlich in die Heimatregion zurückkehren. Seine subjektive Lebensqualität ist mittel bis gut.

Wie kann jugendgerechte Demografiepolitik aussehen?

Aus Diskussionsrunden mit Jugendlichen und jugendpolitischen Entscheidungsträgern wurden konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, damit der Zugang von Jugendlichen zu Bildung, Freizeit und Partizipation verbessert werden kann.

Empfehlungen für eine jugendgerechte Demografiepolitik:

  • kostenfreier Breitband-Internet Hot Spot in jedem Dorf sowie im Schulbus
  • Stärkung der nichtmotorisierten Individualmobilität (Radwege, ÖPNV)
  • Kombination von zentralen und dezentralen (ggf. mobilen) Freizeitangeboten
  • wohnortnahe Freizeiträume
  • Jugendbeauftragte als Sprachrohr zwischen Jugend und Politik
  • vorhandene Räumlichkeiten und Ressourcen teilen – Schulen als zentraler Aufenthaltsort der Jugend sollten sich stärker für ihre Bedürfnisse öffnen, um sich vom Lernort zum Lebensort zu wandeln
  • Mobilitätsprogramm für Vereine im ländlichen Raum – finanzielle Entlastung, damit sie Mitgliedern Fahrdienste anbieten können