Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sollte keine Ausnahme, sondern die Regel sein. Je früher Kinder mit Beteiligungsformaten in Berührung kommen, desto schneller wird Mitsprache für sie zur Normalität und Routine. Bereits in Grundschule und Hort können Mitwirkungsgremien in unterschiedlichen Formaten fest verankert und institutionalisiert werden. Etwa in einem Kinder- oder Klassenrat.
Welche Beteiligungsformate für Hort und Grundschule gibt es?
Wer sich mit Kinderbeteiligung in Grundschule und Hort beschäftigt, wird auf eine Vielzahl von Begriffen stoßen: Schüler:innenrat, Kinderrat, Klassenrat, Kinderplenum, Hortparlament, Kinderkonferenz oder Hortrat. Grundlegend lassen sich diese verschiedenen Formate in zwei Kategorien unterteilen: Es gibt einerseits gewählte Gremien wie bspw. der Schüler:innenrat oder das Hortparlament und andererseits Versammlungsformen ohne gewählte Vertreter:innen wie die Kinderkonferenz oder der Klassenrat.
Für alle Beteiligungsformate gilt: Die Kinder müssen von sich aus gewillt sein, sich dort einzubringen. Die Beteiligung sollte immer freiwillig und nicht verordnet sein. Die Themen werden von den Kindern selbst bestimmt. Denn es sollte um Themen gehen, die nah an ihren Lebenswelten sind, die sie beschäftigen und bewegen.
Gremien mit gewählten Vertreter:innen
Ein Beispiel für ein gewähltes Gremium ist der Schüler:innenrat. Das parlamentarisch gewählte Gremium setzt sich aus jeweils zwei gewählten Klassensprecher:innen zusammen, die dann im Schüler:innenrat ihre Klasse vertreten. Dieser wiederum wählt eine/n Schulsprecher:in, der/die dann gemeinsam mit den Vertreter:innen anderer Schulen einen Stadtschüler:innenrat bildet. Die nächsten Ebenen sind der Kreisschüler:innenrat und Landesschüler:innenrat.
Übrigens: Im sächsischen Schulgesetz sind diese Mitwirkungsgremien fest verankert und ab der 5. Klasse verpflichtend. In der Grundschule können sie bereits als Vorbereitung freiwillig durchgeführt werden.
So funktioniert ein Schüler:innenrat
Die Sitzungen des Rats finden regelmäßig statt. In vielen Schulen hat sich ein monatlicher Turnus bewährt. Wichtig ist, dass keine zu großen Abstände zwischen den Treffen liegen. Im Schüler:innenrat werden verschiedene Belange der Kinder und Jugendlichen besprochen. Anstehende Entscheidungen können mit entsprechenden Abstimmungsmethoden getroffen werden.
Das was im Schüler:innenrat besprochen und beschlossen wird, muss für alle anderen Kinder transparent gemacht werden. Die Klassenvertreter:innen tragen die Ergebnisse und Entscheidungen in ihre Klassen. Dafür sollten die jeweiligen Klassenlehrer:innen Zeit zur Verfügung stellen. Darüber hinaus bietet es sich an, die Beschlüsse kindgerecht aufzuarbeiten und etwa visualisiert in der Schule aufzuhängen.
Tipps für die Wahl der Klassensprecher:innen:
Schritt 1: Die Kinder schreiben auf, wem sie das Amt zutrauen würden. Die Namen werden an die Tafel geschrieben. Vorab wird festgelegt, ob beispielsweise ein Junge und ein Mädchen gewählt werden sollen, oder ob es dazu keine Vorgaben gibt.
Schritt 2: Die vorgeschlagenen Kinder werden gefragt, ob sie sich zur Wahl stellen wollen. Lehnen sie ab, wird ihr Name wieder von der Tafel gestrichen.
Schritt 3: Die Kinder stimmen mit Zetteln ab und wählen ihre Wunsch-Kandidat:innen. Jedes Kind hat dabei zwei Stimmen.
Literaturtipp: Tobias Braun, Frances Fischer, Matthias Labisch, Stefanie Lippitsch, Ken Mertens (alle DKJS): SCHÜLER*INNEN FIBEL Das Buch mit Wirkung #4 zu bestllen oder zum download unter: https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/37027
Versammlungsformate ohne gewählte Vertretr:innen
Dazu gehört der Klassenrat. Dabei handelt es sich um eine Versammlung ohne gewählte Vertreter:innen. Der Klassenrat ist ein regelmäßig stattfindendes Treffen der Schüler:innen einer Klasse. Hier besprechen die Kinder verschiedene Anliegen und treffen Entscheidungen zu sie betreffenden Themen.
So funktioniert ein Klassenrat
Auch der Klassenrat trifft sich regelmäßig. Hier bietet sich ein wöchentlicher Termin an. Denn je öfter sich die Kinder darin üben, desto selbstverständlicher wird ihnen die Beteiligung und das Sprechen in der Gruppe. Im Klassenrat werden verschiedene Rollen vergeben, die aber nicht fest gewählt sind, sondern rotieren. So können sich die Kinder als Moderator:in, Zeitwächter:in, Regelwächter:in oder Protokollant:in ausprobieren.
Wichtig: Die Rollen sollten nicht jede Woche wechseln, denn die Kinder brauchen eine gewisse Zeit, um sich mit den Aufgaben vertraut zu machen und sicher zu fühlen.
Die Klassenratssitzung folgt einer immer wiederkehrenden Struktur. Auch das gibt den Kindern Sicherheit. Die gesamte Klasse nimmt teil, auch der/die Lehrer:in ist dabei, sollte aber mit zunehmender Übung der Schüler:innen im Hintergrund agieren und eher die Rolle eines Gastes einnehmen. Es bietet sich an, dass die Kinder in ungezwungener Atmosphäre beispielsweise auf dem Fußboden sitzen.
Kernstück des Klassenrats ist eine Anfangsrunde, in der jedes Kind über positive wie auch negative Erlebnisse oder Gefühle sprechen kann. Anschließend werden Beschlüsse der letzten Woche wiederholt, noch offene Themen weiter besprochen und geschaut, ob es neuen Gesprächsbedarf gibt. Die Themen werden dann nach und nach abgearbeitet. Alle Kinder sollten dabei die Möglichkeit haben, zu Wort zu kommen. Je nachdem, was gerade anfällt, gibt es Abstimmungen oder es muss auch mal ein Streit geschlichtet werden. Am Ende jeder Sitzung werden die Beschlüsse festgehalten.
Tipp: Gerade in den ersten Grundschulklassen empfiehlt es sich, kleinschrittiger zu starten. Die Kinder in dieser Altersgruppe brauchen noch mehr Unterstützung und können noch nicht alle Aufgaben – wie etwa ein Protokoll schreiben – übernehmen. Die Sitzungen sollten am Anfang deutlich kürzer sein: Eine halbe Stunde genügt zunächst.
Vorteile der Methode Klassenrat
Ein Klassenrat eignet sich besonders gut für die Beteiligung jüngerer Kinder. Im Grundschulalter ist es für sie noch sehr abstrakt, Entscheidungen für andere zu treffen. Ihre eigenen Interessen einzubringen ist hingegen schon möglich. Im Klassenrat lernen die Kinder selbstbewusst ihre eigene Meinung zu vertreten, zu diskutieren und gemeinsam Probleme zu lösen. Die Kinder werden methodisch und fachlich gefordert und erlernen viele Kompetenzen. Zusätzlich werden die Gemeinschaft und das soziale Miteinander gestärkt. Wenn die Kinder gemeinsam Probleme diskutieren, lernen sie sich besser kennen – das wirkt sich positiv auf das Klassenklima aus.
Was gehört nicht in den Klassenrat?
- schwerwiegende Konflikte in der Gruppe klären
- Kinder für ihr Verhalten bestrafen
- Mobbing
- anonyme Anschuldigungen
Link zu: https://www.derklassenrat.de/
Literaturtipp: Eva Blum, Hans Joachim Blum: Der Klassenrat: Ziele, Vorteile, Organisation
Die Rolle der Erwachsenen
Erwachsene übernehmen in den verschiedenen Beteiligungsformaten lediglich eine unterstützende Rolle. Die Themen und Anliegen der Kinder sollten immer im Mittelpunkt stehen. Die erwachsenen Unterstützer:innen sollten die Kinder methodisch begleiten und den Rahmen für ihre Beteiligung setzen. Dabei ist es wichtig, den Entscheidungsspielraum der Kinder von Anfang an klar zu benennen und Grenzen aufzuzeigen – so entstehen keine falschen Erwartungen. Die von den Kindern getroffenen Entscheidungen sind von den Erwachsenen zu respektieren, auch wenn sie mal nicht in ihrem Sinne sind. Wichtig ist außerdem, dass die Entscheidungen der Kinder zeitnah umgesetzt werden. Sie sollten erleben, dass es sich lohnt, sich einzubringen. Wenn ihre Vorschläge erst fünf Jahre später realisiert werden, ist das nicht der Fall.