Meine Hand an der Wand

„Die Haupt- und Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit haben die Aufgabe, Gelegenheiten zur selbstständigen Aneignung von Räumen, Werten und Verhaltensweisen zu schaffen.“

BMFSFJ, Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

Text: Torsten Kluge, Projektbegleiter Hoch vom Sofa! 03/2024

Die kleinen Dinge zum großen Gemeinsam bei den Junior-Funken in Arnsdorf

Meine erste Frage beim Besuch in den Räumlichkeiten des Karnevalsvereins ist immer: „Störe ich?“.

Da wuselt es und alles ist in Bewegung. Kein Wunder – ist es doch DAS Hobby für die ca. 15 Mädchen und den Jungen im Team. Mit Lust und Freude gemeinsame Choreografien einzustudieren und dabei die eigenen Ideen einzubringen macht Spaß. Und Ideen gibt es viele. Trainerin Morle hat ein Auge darauf und stimmt die Agilität so ab, dass das vermeintliche Chaos Struktur bekommt. Eine Struktur, die sich sehen lassen kann – und gesehen wird. Jedes Jahr zur Faschingszeit im Februar. Da gibt´s dann die Auftritte. Eine schöne Anerkennung ist das, aber im Grunde ist es mehr. Und so wird jeder Trainings-Mittwoch zum „Rauskomm“-Nachmittag – abschalten vom Schulstress oder den kleinen und großen „Jugendlichen“-Problemen in der Familie. „Manchmal fühle ich mich wie eine „Seelsorgerin““, meint Morle auch gleich mit einem Augenzwinkern. Sie weiß, wie wichtig den Kids das Tanzen ist und die Gespräche mit Erwachsenen, die einfach anders sind bzw. andere Zugänge finden.

Und nein – ich störe nicht, sondern werde mit Neugier aufgenommen. Meine Infos – wenn man so will meine Zugänge als Projektbegleiter bei „Hoch vom Sofa“ – sind auch anders, neu und irgendwie spannend. Nach einer dreiviertel Stunde Sitzen wackelt es auf den Kissen und ich weiß dann immer: jetzt ist genug geredet.

Einen kalten Raum „warm“ machen

Die Gruppe ist glücklich einen Raum gefunden zu haben, wo man relativ frei trainieren kann. Da gab es viel Hin und Her in den letzten Jahren. Vereinsräume in der alten Schule mussten einem Neubau weichen. Kleine Säle mit Platz zu finden ist in einer 5000-Seelen-Gemeinde nicht so einfach. Und die aktuellen Bedingungen sind nicht für sportliche Freizeitgestaltung ausgelegt in einem Interims-Objekt auf dem großen, das Ortsbild bestimmenden Krankenhaus-Gelände. Aber ein Raum ist da und das ist erstens. Dass der kalt und unwirtlich ist, war Anlass, als Jugendgruppe an die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung heranzutreten. Dank deren Förderung bekommt nun das Trainingsdomizil Stück für Stück praktischen Wohlfühlcharakter. Die Wände sind frisch gestrichen und die Anstrengung vergessen, auch die Decke farblich aufzupeppen. Ähnlich undankbar war es für die Mädchen, Sprossenwände und Regale abzuschleifen. Ein im wahrsten Sinne des Wortes staubtrockener Job! „Dazu kommt, dass die Wände sich wie Kekskuchen anfühlen“, meint Elke, welche mit viel Herz als Projekt-Ansprechpartnerin im Karnevalsverein alle planerischen Schritte im Auge behält. Na klar, es braucht ein paar fitte Erwachsene. Denn nicht alles ist für 11- bis 16-Jährige stemmbar. Nicht immer findet sich gemeinsam Zeit zum Werkeln neben den intensiven Tanzeinheiten. Schön ist, dass es trotzdem im Sommer gelang, jede und jeder in der Gruppe ihren oder seinen Beitrag leisten lassen zu können. Viele Puzzle-Teile zu einem gemeinsamen Ganzen. Wenn ich die Jugendlichen frage, was ihnen in der Rückschau als erstes einfällt, wird das sichtbar: „Wir haben alle unseren farbigen Handabdruck an der Fensterwand hinterlassen. Das ist toll!“ – und alle schauen auf die fast herbstlaubartige Ecke im Raum.

Sich in die Augen schauen ist mutig

„Das schreib´ ich mit in meinen kleinen Artikel hier“, meinte ich. Eine logische Frage folgt meinerseits: „Was möchtet ihr noch im Artikel erwähnt wissen?“. Die Blicke wechseln und Morles Augen richten sich auf Lisa. Sie hatte sich als jugendliche Ansprechpartnerin zur Verfügung gestellt. „Das, was Lisa hier organisiert, zusammengeführt und gemanagt hat, war beeindruckend und wir sind froh, dass wir sie haben!“. Ein kräftiges Nicken bestärkt Morles Aussage. Einvernehmlich ist eine weitere Reaktion, mit unterschiedlichen Stichworten versehen: „Aber auch Morle ist ´ne Wucht! Wie sie uns unterstützt, wo sie uns überall rumfährt, wie hilfsbereit sie ist! Wir können jederzeit mit unseren Sorgen zu ihr kommen. Wir vertrauen ihr!“ Das lasse ich zum Abschluss einfach einmal so stehen und danke euch, liebe Funken, dass ihr den Mut habt, so etwas zu sagen!

Raumgestaltung ist Handarbeit