Aus der Praxis: kommunale Ansprechpartner für Beteiligung

Damit Kinder und Jugendliche ermutigt werden, an Entscheidungen und Gestaltung teilzunehmen, braucht es Begegnungsmöglichkeiten und Ansprechpartner, die einen direkten Austausch fördern.

Gebt den Kindern das Kommando

Als Quartiersmanagerin ist es Sylvia Schlickes Aufgabe, das Leben in ihrem Wohnviertel zu verbessern. Ihr Quartier – das ist die Stadtmitte mit dem Wohngebiet Stadtbadstraße in Thalheim. Thalheim – das ist eine kleine Stadt im Erzgebirge, in der rund 6 500 Menschen leben. Bürgerbeteiligung ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit und kann, wie sie findet, nicht früh genug beginnen. Besonders die Beteiligung von Kindern soll in der Kommune verstärkt werden.

Seit 2017 ist Thalheim deshalb Teil des Programms Demokratie in Kinderhand, das Beteiligung in der Kommune fördert und demokratische Strukturen stärken möchte. „Kinderbeteiligung muss gut organisiert sein“, versichert Sylvia Schlicke,

„Es ist fundamental wichtig, dass es einen Ansprechpartner in der Gemeinde gibt.“

Denn sonst versanden Projektvorschläge auf irgendeinem Schreibtisch. Die Verantwortlichkeiten müssen eindeutig geklärt sein. „Auch wenn es in der Gemeinde viel Unterstützung gibt, muss es einen Punkt geben, an dem die Fäden zusammenlaufen.“ Die Fäden laufen in Thalheim bei Sylvia Schlicke zusammen. Durch die transparente Zuständigkeit fühlen sich junge Menschen darin bestätigt, ernst genommen zu werden. Idealerweise ist dabei der Ansprechpartner so lange wie möglich der gleiche.

Thalheims junger Bürgermeister, Nico Dittmann, engagiert sich sehr für die Belange von Kindern in Thalheim ein. Er hat über das Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt die Stelle der Quartiersmanagerin geschaffen und sowohl die Beteiligung an Demokratie in Kinderhand, als auch die Wahl eines Kinderbürgermeisters überhaupt erst angestoßen.

Gelebte Demokratie: Erst Ideen entwickeln, dann abstimmen

Wie werden die Kinder in Thalheim also am Gemeindeleben und an Entscheidungen in der Kommune beteiligt? Im Rahmen von Demokratie in Kinderhand wurde im Herbst 2017 ein Ideenworkshop organisiert, bei dem die Klassensprecher der Grund- und Oberschule, insgesamt 16   Kinder der Klassen eins bis sechs, zusammen kamen.

Sie tauschten sich darüber aus, was ihnen an ihrem Heimatort Thalheim gefällt und was sie gerne verändern würden. Aus dem Workshop sind vier Projektideen hervorgegangen: die Einrichtung eines Schwimmbads, eines Kinderkinos, einer Konzerthalle und eines Indoor-Spielplatzes. Die vier Ideen wurden allen Thalheimer Kindern der ersten bis sechsten Klasse vorgestellt. Dann hieß es abstimmen. Rund 200 Kinder kamen zur großen Abstimmung in der Turnhalle der Grundschule zusammen. Jedes Kind erhielt einen Tischtennisball und konnte damit einem der Projekte seine Stimme geben. Am Ende waren die meisten Bälle in dem Karton für das Erlebnisbad. Noch bis 2014 hatte es in Thalheim ein Erlebnisbad gegeben. Wenn es nach der Mehrheit der Kinder geht, sollte es bald wieder geöffnet werden.

Bindeglied zwischen Kindern und Kommune

Die Quartiersmanagerin fungiert als Brückenmensch zwischen den Interessen der Kinder und denen der Stadtverwaltung. Das bedeutet vor allem Vermittlungsarbeit: Da Verwaltungsstrukturen für junge Menschen schwer zugänglich und unvertraut, muss Sylvia Schlicke diese in ein kindergerechtes Format bringen. Dazu gehört es beispielsweise komplizierte Bauanträge in eine kindgerechte Sprache zu übersetzen und so für die Kinder verständlich zu machen. Die Kommunalverwaltung ist auf die Vermittlung der Interessen und Wünsche ihrer jungen Bewohnerinnen und Bewohner angewiesen, um damit wirkungsvoll zu arbeiten. Ein direkter Austausch zwischen Kommune und Kindern ist elementar. Das Abstimmungsergebnis ihrer Umfrage stellten 16 Kindervertreter in einer Stadtratssitzung vor. Besonders die junge Stadträtin Johanna Stampfer zeigte sich sehr interessiert und unterstützt das Projekt von Anfang an.

Nicht nur an der Projektidee „Schwimmbad“ wird seitdem gearbeitet. Auch ein neuer Spielplatz soll entstehen. Die Kinder sind an der Konzeption beteiligt: Sie können malen oder aufschreiben, was sie sich auf ihrem neuen Spielplatz wünschen. Bereits im Frühjahr 2019 soll er fertig sein.

Kinderbürgermeister

Die Verbindung zwischen Kindern und Stadtverwaltung soll in Zukunft in Thalheim institutionalisiert werden. Wie in der Partnergemeinde Markt Roßtal in Franken soll es auch in Thalheim bald einen Kinderbürgermeister geben. Im Ende 2018 stellt er sich erstmals zur Wahl. Das Projekt läuft in enger Zusammenarbeit mit den Schulen im Ort.

„Wir brauchen die Schulen, um an die Kinder heranzukommen“, betont Sylvia Schlicke

Der Kinderbürgermeister wird zusammen mit zwei Stellvertretern für zwei Jahre gewählt. Schon im Wahlvorgang erleben die Kinder demokratische Abläufe: verschiedene Kandidaten stehen zur Wahl, abgestimmt wird mit Abstimmungszetteln und in Wahlkabinen.

Der Kinderbürgermeister soll sich viermal im Jahr mit den Klassensprechern treffen, um sich über die Situation für Kinder im Ort auszutauschen und neue Ideen zu entwickeln. Wenn in der Gemeinde kinderrelevante Entscheidungen anstehen, wird der Kinderbürgermeister mit seinen Stellvertretern in den Stadtrat eingeladen und kann die Perspektive der Kinder vertreten.

Die größte Schwierigkeit ihrer Arbeit ist es weiterhin, die Aufmerksamkeit für Kinderbeteiligung zu erregen und Leute zusammenzubringen, betont Sylvia Schlicke. In Thalheim klappe das seit dem Projektstart von Demokratie in Kinderhand schon ziemlich gut. Ihre Stelle der Quartiersmanagerin trage dazu bei, dass Kinderbeteiligung in Thalheim nicht verstummt. Mit dem Ideenworkshop und der geplanten Wahl eines Kinderbürgermeisters sind wichtige Beteiligungsstrukturen geschaffen worden, um Kinder in Thalheim aktiv an den Belangen der Kommune zu beteiligen.