Ein offenes Geheimnis: Jugendliche sind faul und kaum zu motivieren? Die rasenden Jugendreporter aus Schwosdorf belehren uns eines Besseren.
„Mit unserer Jugendredaktion wollen wir sagen, wie wir die Dinge sehen.“
Marc, 16 Jahre
Walpurgisnacht in Schwosdorf, nahe Bautzen. Viele Menschen, Feuer und mittendrin drei neugierige Jungs. „Warum ist die Walpurgisnacht nach all der Zeit eigentlich immer noch ein Fest, das so viele anzieht?“ oder „Wissen sie eigentlich, warum wir das Walpurgisfest feiern?“ Die Fragen überraschen die Gäste.
Marc, Andreas und Dennis sind die wissbegierigen Jungreporter, die sich die Antworten notieren. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen machen sie eine Zeitung für und über Schwosdorf – in Eigenregie! Das ist schon deswegen ungewöhnlich, weil Schwosdorf nur 185 Einwohner hat und mitten in der Lausitz liegt – einer strukturschwachen Region. Herzblatt heißt die junge Zeitung, die im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Kinderschuhen steckt. Und Herzblatt heißt sie, „weil in den großen Zeitungen von den großen Sachen berichtet wird. Aber was im Kleinen geschieht, kann man nicht erfahren. Das wollen wir in die Hand nehmen“, so Marc Zickler, 16 Jahre. Die Jungjournalisten schreiben also über das, was die Schwosdorfer wirklich beschäftigt. Und Marc fügt hinzu: „Mit unserer Jugendredaktion wollen wir sagen, wie wir die Dinge sehen.“
Die Jugendlichen machen dabei alles selbst: gestalten, recherchieren, fotografieren, ausdrucken und verteilen. Fünf Ausgaben haben sie schon unter die Schwosdorfer Bevölkerung gebracht: Die erste, die im April erschien, hatte drei Seiten, enthielt viele Fotos von der Umgebung und nur wenig Text. Insbesondere die Rubrik „Kleinanzeigen“ macht das Herzblatt zu einer beliebten Zeitung in Schwosdorf.
„Die Leute staunten nicht schlecht, dass Jugendliche in unserem Alter eine Zeitung herausbringen“, erinnert sich Dennis Pohling, 14 Jahre.
Langfristig will das Team das Blatt zu einer »richtigen« Zeitung ausbauen, die einmal im Monat erscheint. Neben Informationen über Freizeitangebote, Anzeigen und Geburtstage schreiben die Jugendlichen auch über die Lausitz als ihre Heimat. Ob Via Regia, die Geschichte des Ortes oder erneuerbare Energien. „Natürlich geht es auch um Sachen, die die Jugendlichen hier interessieren“, sagt Herzblatt-Autor Andreas Büttner, 15 Jahre. Eine wichtige Rolle spielt der Briefkasten der Redaktion, in den jeder seine Wünsche, Ideen und Anregungen einwerfen kann.
Herzblatt – was ganz Neues in Schwosdorf
Die Idee zur Zeitung kam bei einem Grillfest. Sie fragten sich, wie es wäre, selbst ein Heft zu machen, in dem Dinge zu lesen sind, die sie wirklich interessieren? Historisches, wovon nicht jeder weiß oder was im Ort gerade so geschieht. Doch wo und wie? Ronny Bartsch vom Verein PRO Wal- und Wüsteberg e.V. ermutigte die Jugendlichen, sich bei Hoch vom Sofa zu bewerben.
Nach der erfolgreichen Bewerbung verwandelte sich ein Zimmer im Wal- und Wüsteberghaus in eine Landschaft aus Papier, Müllsäcken, jeder Menge Staub und fünf aufgekratzten Jungen und Mädchen, die es kaum erwarten konnten, ihr Redaktionsbüro zu beziehen. Dabei stellte sich das als gar nicht so einfach heraus – denn es handelt sich beim Wal- und Wüsteberghaus um ein historisches Haus, das möglichst original wieder restauriert werden soll. „So lang das Redaktionsbüro noch nicht fertig war, wurde die Redaktionssitzung in die Sonne vor das Vereinshaus gelegt“, sagt Brigitte Müssig, die Projektbetreuerin des Vereins.
Mit der Zeitung in die Zeitung
Mit der Arbeit an Herzblatt hat das junge Team einiges dazu gelernt. „Redaktionsarbeit ist alles andere als ein Kinderspiel“, weiß Marc. So sind die richtigen Schlagzeilen und spannenden Formulierungen oft schwer zu finden.
Ein erstes Feedback kam von einer Kollegin. Anfang März berichtete die Lokalredaktion der Sächsischen Zeitung über das ehrgeizige Projekt der jungen Schwosdorfer. Selbstbewusst präsentierten sie dort ihr Konzept und ihren Redaktionsraum. Die Reporterin zeigte sich begeistert darüber, dass Jugendliche eine eigene Zeitung herausbringen und sich damit für ihren Heimatort stark machen. Seitdem flattern Zettel in den Ideen-Briefkasten der jungen Redaktion. Die Jugendlichen werden als Journalisten ernst genommen und ihre Arbeit bringt die Bewohnerinnen und Bewohner von Schwosdorf einander näher. Wer nach Schwosdorf in die Lausitz kommt, sollte vorbereitet sein: auf kritische Fragen junger Reporter mit Herz.