Aus der Praxis: Bikepark in Annaberg-Buchholz

Der Biker zieht seinen Handschuh aus und will streicheln, Bambi zieht den Kopf zurück, schaut aber interessiert. Schade, dass das Rehkitz nicht lesen kann, denn in großen Lettern auf hölzernem Grund steht auf der anderen Seite des Wildtiergeheges: „Bikepark am Pöhlberg“. Das Schild wirkt rustikal, wie die Beschriftung an einer Schnitzerhütte, Tradition und Trendsport verbinden sich ganz gut. Das Rehkitz nickt, der Biker auch. Vertrauen entsteht im Prozess.

Viele Nachbarn mussten sich erst an die neue Situation gewöhnen. Am Anfang gab es Ärger auf Facebook, vor allem von Älteren. Es hieß „Jugend macht nix außer Dreck“, das war aber Unsinn. Stattdessen bewies die Jugend, dass sie selbst einen Plan machen und anpacken kann. Dafür gab es auch eine ordentliche Förderung von Hoch vom Sofa!, dem Förderprogramm für Jugendprojekte der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).

Feierliche Eröffnung mit Youtuber und Bürgermeister

Drüben auf dem Hügel jubelt plötzlich die Menge.

„Ich muss los, Bambi!“, ruft der Biker. Er zieht seine Handschuhe wieder an, setzt den Helm auf, tritt heftig in die Pedale, denn Lukas Knopf kommt, der bekannte Youtuber mit seinem Mountainbike. Gleich wird die Strecke eröffnet, ein Mitarbeiter der Stadt verteilt stolz Pressemitteilungen. Der Bürgermeister höchstpersönlich schneidet gerade mit ein paar anderen Aktiven das rote Band durch, da jagen schon viele Mountainbikes und BMX-Räder den Hügel runter und testen die Strecke. Kurz vorher wurde alles fein säuberlich vom Laub befreit, damit man richtig sieht, wo man durchfährt. Ein paar Sprunghügel sind auch dabei.

Es geht ganz schön zur Sache und mittendrin steht Melissa, sie lacht. Melissa gehört zum Hoch vom Sofa!-Team und ist außerdem beim Flexiblen Jugendmanagement Erzgebirge für Demokratiebildung und Jugendbeteiligung zuständig. Sie hat die ganze Entstehungs-geschichte der Strecke noch im Kopf, erzählt gerade einem Kamerateam, wie sie seit 2014 den „Jungen Runden“ Tisch in Annaberg-Buchholz begleitet. Ende 2016 hat sie zusammen mit den Jugendlichen vor Ort den alten Waldspielplatz besichtigt. Der Spielplatz war total marode, die Palisaden alle abgefahren, keine Klettergerüste mehr vorhanden und als man überlegte, was man an diesem Ort machen könnte, sausten zwei Biker den Berg herunter. Sie erzählten, dass es im Wald einige illegale Strecken gibt und dass es prima wäre, wenn das Gelände zu einer offiziellen Bikestrecke umgebaut werden könnte. So wurde die Idee vom Bikepark geboren.

Eineinhalb Jahre Ausdauer bewiesen

Damals dachten alle, die Jugendlichen, das Jugendmanagement und die Stadtverwaltung, man könnte einfach loslegen und ein paar Erdhügel aufschütten, aber von wegen: Die Stadt musste beim Landratsamt einen Bauantrag stellen. Weil es sich um ein Waldgebiet handelt, schaltete sich auch noch die Untere Naturschutzbehörde ein und immer wieder kamen neue Forderungen. Eineinhalb Jahre gingen ins Land, bis alle Unterlagen eingereicht waren und es richtig losgehen konnte mit dem Schaufeln und Hügelbauen. Parallel dazu mussten die Jugendlichen das Gespräch mit skeptischen Erwachsenen suchen und immer wieder deutlich machen, dass es z. B. nicht darum geht, mit Enduro-Motorrädern zu fahren, sondern mit Fahrrädern, die extra dafür ausgelegt sind.

„Beteiligung braucht halt manchmal Geduld“, sagt Melissa. „Da mussten wir immer transparent sein, auch über Facebook. Wir haben oft Bilder reingestellt oder kleine Berichte geschrieben, um die Vorurteile, die die erwachsenen Menschen gegenüber Jugendlichen haben, ein stückweit abzubauen. Bei einem Beteiligungsprojekt lässt sich das Ergebnis im Vorfeld nicht so klar beschreiben wie bei etwas, das die Stadt in Auftrag gibt und das dann einfach hingestellt wird.“

Aber am Ende hat sich der Mehraufwand definitiv gelohnt – denn eine Strecke die Jugendliche selbst geplant und gebaut haben, wird auch viel besser von ihnen genutzt. Das kann man heute in Annaberg-Buchholz sehen.

Hoch vom Sofa! ermuntert Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahre, sich einzumischen – im Dorf, in der Stadt oder im Viertel. Gefragt sind Ideen, mit denen vor der eigenen Haustür etwas verändert und gestaltet werden soll. Hoch vom Sofa! ist Teil von Stark im Land – Lebensräume gemeinsam gestalten, ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung in Kooperation mit dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz.