Auf dem Sofa sitzt hier niemand lange!

Aus „Freiräume für Jugend schaffen!“ dem Positionspapier der AGJ sind diese eine Forderung für gelingende Persönlichkeitsentwicklung.
Dort heißt es, „die Identität setzt sich aus vielen Einzelaspekten und Rollenerwartungen zusammen, deren inneren Sinn das Individuum für sich selbst herstellen muss. Notwendige Ressourcen hierfür sind Fähigkeiten zur Selbstorganisation und zur Selbsttätigkeit. Kinder und Jugendliche benötigen somit auch für eine gelingende Identitätsarbeit Freiräume, die ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst zu entwerfen und ihren Alltag zu gestalten.“ (AGJ, 2016, Freiräume für Jugend schaffen!)

Der Jugendclub Bühlau stellt das unter Beweis und zeigt wie das in der Praxis aussehen kann.

Der Jugendclub Bühlau hat gezeigt, wie man einer pandemischen Lage trotzt und hat in den letzten Jahren entgegen dem Trend nicht nur fleißig gewerkelt, sondern seine Mitgliederzahl darüber hinaus verdoppelt. Das Programm Hoch vom Sofa! der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung begleitete die Jugendlichen und konnte im Resümee eines feststellen: Es gibt keine „Zauberformel“, aber viele kleine Zutaten, welche den Erfolg des Jugendtreffpunkts in dem kleinen 420-Einwohner-Dorf ausmachen.

Flexibel sein

Erdarbeiten mit Bagger vor dem Jugendclub Bühlau

Als Clubchef Toni Anfang 2020 erklärte, dass er die Vision hat, den Kellerräumen wie auch dem Sanitärtrakt im Erdgeschoss eine „Auffrischungskur“ zu geben und diese für viel mehr junge Menschen nutzbar zu machen, ergaben sich sofort zwei Fragen: Woher kommt das Geld und wie soll das im Corona-Lockdown gehen? Nun, nachdem 2 Jahre später wieder Partys die Räume beleben und staunende Gäste den Baufortschritt bewundern, war es Beharrlichkeit die es gebraucht hat, wenn es darum ging, jede Fördermöglichkeit und vor allem die Spendenbereitschaft der Dorfbevölkerung zu nutzen, um sich das leisten zu können.

Klingeln putzen, Telefonate, Aufrufe, Absprachen, Beratungen, Anträge, Abrechnungen. Die viele aufgewendete ehrenamtliche Zeit – sie hat sich ausgezahlt. Das, was entstanden ist, konnte nun transparent und mit Stolz gezeigt werden: zur Unterstützer-Dankeschön-Veranstaltung im Oktober. Und Corona? Ja, der Club war lange zu und die Existenzängste waren dieselben wie bei anderen Treff-Vereinen. Aber deshalb den Kopf in den Sand stecken? Nein! Hinter verschlossenen Türen wurde quasi immer gebaut, gewerkelt, gestrichen. Je nach aktuellen Bestimmungen, mal zu zweit, mal allein oder auch einmal einzeln in getrennten Räumen. Über social media blieben die Mitglieder verbunden und schafften so ein Gemeinsam im „Einsam“.

Ein offenes Ohr haben

Mittlerweile ist der Jugendclub ein Zwei-Generationen-Club. Zumindest aus Jugendsicht kann man das so sehen, wenn sich zu den Mit-Zwanzigern eine große Gruppe 13- bis 18-Jähriger gesellt. Letztere sind der eigentliche Grund für das „Hoch vom Sofa“ – Wirken. Ging es am Anfang noch darum, in den Kellerräumen einen separaten U18-Treff einzurichten (natürlich gemanagt durch die Neuen im Verein), war es schließlich 2022 die „Eroberung“ des Außengeländes mit Terrasse und Grillecke. Denn mittlerweile wirken die Jungen und Mädchen (zu denen immer mehr aus den „trefflosen“ Umorten dazu kommen) an jeder Ecke mit, mit hoher Motivation und vor allem Zuverlässigkeit. Denn am Ende sind es nicht die Regeln, die das Clubleben bestimmen, sondern der super-soziale Umgang auf Augenhöhe miteinander. Das wissen die Jugendlichen zu schätzen und holen sich gern Rat bei den Älteren – egal ob Schulstress, Berufswahlbedenken, Lebensvisionen oder Liebeskummer. Niemand bleibt hier mit seinen persönlichen Problemen allein.

eine Gruppe posiert für das Foto im Jugendclub Bühlau

Unterstützung suchen und finden

Die Sponsoren und Spendenden sind ja schon angesprochen. Aber das ist nicht alles! Das Standing im Ort hat Gründe, die Jahrzehnte gewachsen sind. Der Club hat Tradition und verschließt sich nicht gegenüber dem ein oder anderen „Senioren“, der sich in den Räumen verirrt, weil es hier an Orten für lockere Rede-Runden mangelt oder man einfach nur neugierig aufeinander ist. Alle bis ins hohe Alter kennen das Jugendclub-Haus mitten im Ort. Sie haben dazu beigetragen, dass das Haus als eines der wenigen öffentlichen erhalten bleibt, sind mittlerweile Ehrenmitglieder oder – oh Schreck – Eltern der aktuellen Nutzerinnen und Nutzer. Nach Unterstützung brauchen die Jugendlichen hier nicht zu fragen – die kommt automatisch.

Neues wagen

sechs Personen sitzen auf ihre Mopeds und werden fotografiert.

„Das haben wir schon immer so gemacht“ ist ein ziemliches „Totschlag“-Argument. Klar gibt es Regeln, Traditionen und Prinzipien, auf denen auch ein Jugendclub ein harmonisches Miteinander aufbaut und die quasi „vererbt“ werden. Aber wichtiger noch ist das Einbringen neuer Ideen. Das belebt, feuert an, das „salzt die Suppe“. Manchmal sind es die kleinen Aktionen wie das Darts-Turnier 2021 (zwischen den Wellen), manchmal aber auch große Events. Seit September wird nicht mehr nur geschwärmt von den bombastischen Veranstaltungen der letzten Jahrzehnte. Nein, die Jüngsten im Club haben es geschafft, ihr Hobby in den Fokus zu setzen und ein Moped-Treffen zu organisieren, dass in der Besucherzahl mindestens an alte Zeiten anknüpft. Viel wichtiger aber ist die stolz geschwellte Brust, die die 15-, 16-, 17-Jährigen seit dem „2Takt Bühlau“ mit sich herumtragen!

Über den Tellerrand schauen

Der JCB ist nicht isoliert in seinem Dorf. Vielleicht sind es die vorzeigbaren Erfolge der letzten Monate oder die aufgelösten Hürden, die immer mehr Jugendliche unter 18 hier herziehen: das Netz der Jugendclubs entsteht nach vielen Jahren Stillstand wieder. Der Austausch ist gewollt, wird angebahnt und macht die Club-Welt wieder um einiges bunter. Erneut geht es um ein Gemeinsam – diesmal aber nicht auf dem eigenen Teller. Hier entsteht gerade ein ganzes Service! Nicht alt und angestaubt, sondern neu, kreativ und vor allem JUNG!

Text: Torsten Kluge, Projektbegleiter bei Hoch vom Sofa! 01/2023